Adolf Weber

Botschaften - sichtbare und angedeutete

(Wynentaler Blatt, 12.11.1985, S.3)
 
Bis zum kommenden 23.November ist der Menziker Kunstmaler im stimmungsvollen Kellergewölbe der Galerie 6 in Aarau zu Gast. In einem rund 40 Bilder umfassenden Zyklus offenbart der Maler viel Idyllisches: Stille Winkel und reizvolle Perspektiven, die über blosse Nettigkeiten hinauswachsen. Die Welt, der Adolf Weber sein hinterfragendes, und dennoch liebenswürdiges Augenmerk widmet, ist weder vordergründig noch laut. In seinen Motiven weist der Individualist häufig auf sogenannte Nebensächlichkeiten hin, leuchtet mit Vorliebe jene Standorte aus, die abseits der grossen Heerstrasse liegen und in unserer leistungsbetonten Erwerbswelt deshalb kaum noch Beachtung finden.

Fremd und dennoch nicht unbekannt
Die Ausdrucksstärke und Faszination, welche Adolf Webers Farbkompositionen ausstrahlen. erklärt sich unter anderem damit, dass die Bilder in einer Umgebung angesiedelt sind, die wir heute immer schmerzlicher vermissen. Obschon die Darstellungen den aktuellen Bezug zur Gegenwart nie vermissen lassen, ist ihr zentraler Inhalt möglicherweise nicht auf den ersten Blick erkennbar. Es handelt sich im übertragenen Sinne um reife Früchte, die von der Schale - dem Alltäglich-Derben - bereits befreit sind. Ist der Betrachter auf einmal auf die Optik des Künstlers eingestimmt, erlebt er den Durchbruch in eine Welt des Urwüchsig-Echten, die weder auf Kulissen noch Verschleierungen angewiesen ist. Hier zählt allein das Wahre, Echte, und man spürt deutlich, dass sich Adolf Weber in diesem, seinem ganz persönlichen Umfeld, wohlfühlt. Dabei ist der naturverbundene Maler alles andere als ein verklärter Romantiker: So vermag er mit seiner vielschichtigen Palette selbst einen grauen, an sich trostlosen Regentag zum Strahlen zu bringen und sogar die profane Altmetallmulde gewinnt unter seinem Blickwinkel an Faszination und Einmaligkeit.
Adolf Weber engagiert sich in seinen farbenprächtigen Botschaften als Mittler zwischen dem Vergessenen und Heute. Er belebt den müde gewordenen Blick mit neuen Impulsen, die uns helfen, jene Welt neu zu entdecken, die im Grund genommen noch heute und überall existent ist. Geborgenheit, Behaglichkeit und Liebenswürdigkeit sind drei Elemente, die wir in der intensiven Bildsprache des Malers immer wieder finden und die zu frohmachenden Begegnungen werden.

Die Kunst soll Dialekt sprechen
Der Ausstellungseröffnung in der Aarauer Galerie 6 wohnte ein ebenso illustres wie begeistertes Publikum bei. Der athmosphärische Gewölbekeller war zum Bersten voll, als Joi Zimmermann, ein junger Absolvent der Schauspielschule Zürich, einen von Maler Adolf Weber selbst verfassten Text vortrug. Mit dieser Uraufführung liess der Künstler erkennen, dass ihm nicht nur die Staffelei Leidenschaft ist, sondern das geschriebene Wort ebenfalls viel bedeutet.
Das dicht formulierte literarische Selbstportrait basiert auf der zufälligen Bekanntschaft von Adolf Weber mit dem imaginären Pinsler Josef Winter. Erinnerungen an das romantische Bahnhöfli bei der Zetzwiler Moräne wurden wach, das längst einem gesichtslosen, wenig einladenden Zweckunterstand gewichen ist. Winter, der hier Schutz vor dem einsetzenden Regen sucht, macht dem neugierigen Fremden klar, dass auch diese Stimmung zum Malen geeignet ist und trotz der Regenwolken Licht und Farbe durchschimmern. Viele Maler, so berichtet Josef Winter weiter, sind heute wieder von der Experimentierfreude abgekommen. Statt der Spekulation zu erliegen, vertrauen sie wieder ihren Augen und haben die Landschaft, die Natur, neu entdeckt. "Die Kunst muss wieder Dialekt sprechen lernen", nennt Winter diesen Prozess, während er seinen Blick von der noch weitgehend intakten Mooslandschaft zum Himmel richtet, wo der launige Wechsel des Wolkenspiels wie ein spannender Film vorüberzieht.
Winter, ein ausgekochter Individualist am Dreibein, lässt sich von Vordergründigem nicht ablenken. Vielmehr ist er bestrebt, jene Essenz zu visualisieren, welche die Natur zwischen den Zeilen vermittelt. Blosses Kopieren verschafft unter diesem Blickwinkel keine Befriedigung.
Erst, wenn der Orkan über das Bild gefegt ist, wie Maler diesen befreienden Akt des Abschabens umschreibt, ist der Ablauf vollkommen. Durch die Spuren dieser Materialschlacht hat das Bild an Dichte und Aussage gewonnen.
msu.